Video zur Finanzierung von Open-Access-Artikeln

Open Access in der Informatik

Die noch junge Wissenschaftsdisziplin der Informatik, mit Wurzeln in der Mathematik und Elektrotechnik, verfolgt seit jeher einen offenen Umgang mit erzielten Forschungsergebnissen. Zu den Erfolgsgeschichten gehören auch frei und kostenlos verfügbare Betriebssysteme wie Linux und das Textsatzsystem LaTeX, das gerade im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens einen festen Platz hat.

Aufgrund der vielfältigen Bindestrich-Verbindungen zu anderen Disziplinen (Bio­informatik, Wirtschaftsinformatik, …) gibt es unterschiedliche Rahmenbeding­ungen für das wissenschaftliche Publizieren in den einzelnen Teilbereichen. In diesem Artikel wird der Kern der Informatik in den Mittelpunkt gestellt.

Zur Verbreitung von Forschungsergebnissen haben sich seit Mitte der 1990er Jahre Konferenzen, Symposien und selbst Workshops als Publikationsorte etab­liert und gegenüber den klassischen wissenschaftlichen Zeitschriften eine domi­nierende Position eingenommen. Dies spiegelt sich auch wider im Programm­bereich der wissenschaftlichen Verlage und der als Verlage agierenden Fachge­sellschaften. Dieser starke Fokus auf Konferenzpublikationen führt jedoch auch immer wieder zu Wahrnehmungsproblemen in der Wissenschaftslandschaft, z. B. wenn diese Publikationsform in Evaluierungsprozessen ignoriert wird (Jagadish, 2008; Vardi, 2009; Vardi, 2010; Konstan & Davidson, 2015). Dieses Spannungsfeld zwischen Konferenzpublikationen und Zeitschriftenartikeln zeigt sich auch in den aktuellen Open-Access-Angeboten des Fachs. In einzelnen Unterdisziplinen (z. B. theoretische Informatik und Kryptologie) gibt es eine aus­geprägte Preprint-Kultur. Für Workshops und Konferenzen haben sich unter­schiedliche Publikationsorte etabliert, die sich durch die Höhe der Anforde­rungen bzw. die thematische Fokussierung unterscheiden. Bei den Zeitschriften ist der Fortschritt in Richtung Open Access etwas verhaltener, aber dennoch spürbar. Die kommerziellen Verlage haben darin eine zusätzliche Einnahme­quelle erkannt. Viele Open-Access-Zeitschriften in der Informatik operieren je­doch ohne einen herkömmlichen Verlag im Hintergrund und organisieren sich selbst aus der Community heraus (was mitunter dazu führt, dass der Grad an Professionalisierung sehr unterschiedlich ist, z. B. hinsichtlich einer Nennung im DOAJ).

Die nationalen und internationalen Fachgesellschaften haben sich in Bezug auf Open Access bisher eher konservativ verhalten, wenn auch in den letzten Jahren etwas Bewegung in das Thema gekommen ist:

  • Gesellschaft für Informatik (GI): Zwar hat die deutsche GI in 2007 die Berliner Erklärung unterschrieben und stellt ihre Reihe Lecture Notes in Informatics (LNI) online frei verfügbar; in Bezug auf die Fachzeitschriften  der thematischen Fachbereiche ist man jedoch immer noch stark an das klassische Subskriptionsmodell gekoppelt. Über die Digitale Bibliothek können Gliederungen der GI eigene Publikationen im Open Access veröffentlichen.
  • Association for Computing Machinery (ACM): Die amerikanische ACM betei­ligt sich seit Januar 2021 an der Plan-S-Initiative. Zudem ermöglicht sie über den Author-izer einzelne Artikel über ihre eigene Homepage ohne Bezahl­schranke zugänglich zu machen; jedoch bleibt lizenztechnisch eine Nach­nutzung oftmals unklar, sodass die Ziele des Open Access dadurch nur teilweise erreicht werden. Für Autor*innen besteht zudem die Möglichkeit, über eine author-pays-Option Artikel im Open Access zugänglich zu machen.
  • Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE): Die IEEE Computer Society ist der für die Informatik verantwortliche Teil der IEEE Fachgesell­schaft und agiert als Verlag für Fachzeitschriften und Konferenzbände. Open Access ist bei Hybrid-Zeitschriften und insbesondere dem Open-Access-Megajournal IEEE Access verfügbar. Allerdings gibt es keine dezidier­ten Möglichkeiten, in Konferenzbänden der IEEE Artikel im Open Access zu veröffentlichen.

Einige kommerzielle Verlage bieten die Möglichkeit, einzelne Artikel freizu­kaufen (ACM Author Gateway; Lecture Notes in Computer Science) – die Hybrid-Publikation, wie sie im Bereich von Zeitschriften von vielen Verlagen angeboten wird, hat sich also teilweise auch bei Konferenzbänden etabliert.

Ein wichtiger Schritt zur Transparenz von wissenschaftlichen Arbeiten ist die Offenlegung von Daten und Software, die zu einem gewissen Grad eine Repro­duzierbarkeit von Ergebnissen und Experimenten zulassen. Im Bereich der Informatik haben sich sogenannte Artifact Evaluations sowohl im Konferenz- als auch im Zeitschriftenbereich etabliert und zugehörige Daten werden sehr oft frei zugänglich gemacht.

Open-Access-Bücher

Unter dem Stichwort Computer Science listet das Directory of Open Access Books (DOAB) 1466 Titel (Stand: Dezember 2021).

Aufgrund der Konferenzkultur finden sich in der Informatik unter den Open-Access-Büchern vorwiegend Tagungsbände. Reine Monographien werden eher selten im Open Access veröffentlicht. Die folgende Liste enthält die wichtigsten Open-Access-Konferenzbandreihen für die Informatik:

Das Directory of Open Access Books sowie OAPEN listen einige Open-Access-Bücher im Bereich der Informatik und seinen Sub-Disziplinen, sind aktuell aber in Bezug auf Open-Access-Konferenzbände noch sehr unvollständig.

Disziplinäre Repositorien

Folgende Repositorien, sowohl fachübergreifend als auch spezialisiert auf eine Subdisziplin in der Informatik, ermöglichen den Zugriff auf Preprints sowie von den Autor*innen bereitgestellte full versions. Diese beinhalten darüber hinaus oftmals weitere Details (z. B. technische Beweise) und werden daher oft für eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit einem Thema konsultiert bzw. zitiert:

Video über das Zeitveröffentlichungsrecht

Sonstige Angebote

In der wissenschaftlichen Selbstorganisation von Konferenzen spielen Konfe­renzmanagementsysteme eine wichtige Rolle in der Informatik. Deren freie bzw. kostenlose Verfügbarkeit ist in der Planung und Organisation von Konferenzen  und Workshops wesentlich. Auch wenn es zunächst keine konkrete Verbindung zwischen Open Access und der Verfügbarkeit von Konferenzmanagementsys­temen gibt, muss letzteres bei der Entwicklung von zukünftigen Open-Access-Angeboten im Blick behalten werden, da hier bereits die Metadaten und Roh­fassungen von Beiträgen gesammelt werden. Es folgt eine exemplarische Auflistung von Konferenzmanagementsystemen, die in der Informatik häufig genutzt werden:

Recherchieren in der Disziplin

Aufgrund der Publikationskultur in der Informatik mit ihrem Fokus auf Konfe­renzpublikationen wird das Fach in disziplinübergreifenden Nachweis- und Recherchesystemen, welche sich auf Zeitschriften stützen, nur unzureichend abgedeckt. Mit der dblp Computer Science Bibliography hat sich seit Anfang der 1990er Jahre ein offener Dienst etabliert. Dieser ermöglicht eine Recherche über einzelne Autor*innen, aber insbesondere über Konferenzen und Zeitschriften in der Informatik.

Es folgt eine Liste von für die Informatik relevanten Recherchediensten:

Open Science in der Informatik

Die Informatik agiert als technologischer Wegbereiter für die aktuelle Diskus­sion um Open Science. Mit Ben Shneiderman hat ein Informatiker den Begriff Science 2.0 (Shneiderman, 2008) wesentlich geprägt und den Diskurs um die technologische Erneuerung von Wissenschaftsprozessen eröffnet. Ein besonde­rer Fokus liegt dabei auf offenen Forschungsdaten. Seit 2011 haben immer mehr Konferenzen (vor allem zum Software Engineering) spezielle Komitees zur Bewertung von sogenannten Forschungsartefakten eingerichtet. Diese Komi­tees stellen sicher, dass Artefakte, die zusammen mit Forschungsarbeiten einge­reicht werden, mit diesen übereinstimmen sowie vollständig, gut dokumentiert und leicht wiederverwendbar sind. Die so evaluierten Papiere werden im Anschluss mit einem Badge ausgezeichnet und zudem werden die evaluierten Artefakte also solche gekennzeichnet. Mehrere Verlage wie ACM und Schloss Dagstuhl haben diese Vorgehensweise bereits implementiert. Als Software-Repositorium wird von Entwicklern häufig GitHub genutzt, ein kommerzieller Dienst zur Versionsverwaltung von Software-Entwicklungsprojekten.

Die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen spielt auch bei verschiedenen Zeitschriften eine Rolle, die sich auf die Veröffentlichung von Software, Algorithmen, Beweisverfahren und Daten spezialisiert haben, z. B.

Eine weitere aus der Informatik hervorgegangene Initiative, die aber nicht nur auf die Informatik beschränkt ist, ist das Projekt Software Heritage. Dieses hat sich zur Aufgabe gemacht, Software in Form von Quellcode zu archivieren und zu bewahren. Ende 2020 hat Software Heritage bereits mehr als 148 Millionen Projekte archiviert.

Literatur

Bearbeitung der Inhalte dieser Seite: Dr. Michael Wagner (Schloss Dagstuhl – Leibniz-Zentrum für Informatik) und Dr. Marc Herbstritt (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) (Stand: Dezember 2021)